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Wenn man aktuell von der "Festung Europa" liest, wird nicht sogleich erinnert, dass diese Bezeichnung 1942 von der Nazi-Propaganda im Auswärtigen Amt geprägt wurde. Wenn junge Frauen im Jahr 2020 zum "Mädel(s)abend" einladen, scheint keine Erinnerung daran mehr zu existieren, dass das Wort Mädel 1930 in der Nazi-Ideologie zur offiziellen Bezeichnung der Mitglieder des "Bundes Deutscher Mädel (BDM)" bestimmt wurde. Wenn an Hochschulen die Abkürzung "SS" für Sommersemester gewählt wird, scheint die Erinnerung an dieselbe Abkürzung für Schutzstaffel zumindest nicht zu stören.
Dass diese und viele weitere Wörter, Abkürzungen und sprachliche Formen (z.B. "Kauft nicht bei [Menschengruppe]") sprachgeschichtlich belastet sind, weil mit ihnen der rassistisch und antisemitisch begründete Terror gegen jüdisches Leben in Deutschland von der Nazi-Regierung sprachlich in Gang gesetzt und durchgeführt wurde, wird bei einer Analyse und Reflexion rasch ersichtlich. Die historische Belastung zahlreicher dieser durch die Sprache des und im Nationalsozialismus geprägten sprachlichen Mittel scheint im 21. Jahrhundert zunehmend in Vergessenheit zu geraten. Aus den Perspektiven der Sprachwissenschaft, der Sprachdidaktik und des Deutschunterrichts muss deshalb die Frage gestellt und beantwortet werden, ob der natürliche Sprachwandel auch in diesen Fällen zu respektieren und zu beschreiben ist - oder aber ob ihm mit den Mitteln der wissenschaftlichen Sprachkritik Einhalt geboten werden sollte und kann.

Im Vortrag werden theoretische Grundlagen, Ansätze und Methoden linguistischer und didaktischer Sprachkritik zur Bewusstmachung solcher Traditionen der Nazi-Sprache vorgestellt und diskutiert.

6,00 EUR Gebühr / kostenlos für Mitglieder der SHUG

Unterrichtsart

Präsenzunterricht
Vortrag